Dank dem nächlichen Hotelwechsel war es eine verdammt kurze Nacht, wir haben einen Wintereinbruch im Nacken, der Mietwagen muss Montag in Colorado Springs sein – viel Zeit für Wickenburg bleibt da leider nicht. Heute steht Autofahren auf dem Programm – um dem Schnee in den Bergen rund um Flagstaff auszuweichen haben wir uns eine Route ostwärts durch Arizona ausgesucht, auf der wir keinen Schnee zu erwarten haben und uns um 8:00 Uhr auf den Weg gemacht – nach einem einigermaßen genießbaren Kaffee von Starbucks.
Dass das Stück Highway bis Congress unser letzter Besuch in der Wüste sein sollte ahnten wir nicht. Hinter Congress schraubt sich der White Spar Highway (AZ-89 N) hoch in die Weaver Mountains – bis nach Prescott schlängelt sich die Strasse an schroffen Bergen entlang, diese Strecke ist ganz sicher ein Traum für Motorrad-Fahrer. Prescott Downtown ist voll das Klischee vom Westen – ein Cowboy-Souvenirshop reiht sich unter dem Namen Whiskey Row an den nächsten, aber zumindest sehen wir mal wieder so etwas wie eine Innenstadt. Die Zeit drängt, wir müssen weiter – weiter ostwärts.
Östlich von Prescott bekommt Arizona erneut ein ganz neues Gesicht: Der Arizona Highway 260 führt von nun ab durch Wälder – diese Wälder sind so ebenso endlos wie die endlosen Wüstenebenen, die wir bislang gesehen haben. Es gibt einige total süße Orte wie Strawberry oder Pine, aber im großen und ganzen gibt es nicht als Wald und so fahren wir vom Tonto National Forest in den Sitegrave National Forest, der wieder ein bischen höher liegt. Wir amüsieren uns noch über die fetten Wolken, die an dem waldigen Berg hängen – bis wir realisieren, dass unser Highway uns gerade genau dorthin führt. Keine 5 Minuten später ist das Thermometer um 10 Grad gefallen, draussen herrscht Nebel und wir sichten die ersten Schneeflocken – holy shit, das wollten wir eigentlich vermeiden, indem wir hier langfahren. Zum Glück hört es hinter Heber-Overgaard wieder auf zu schneien – dafür entdecken wir riesige verbrannte Wälder. Jeder von uns hat grosse amerikanische Waldbrände im Fernsehen gesehen, aber wenn man dann einmal vor den endlosen verbrannten Weiten steht, wo früher einmal Wald war, dann begreift man schnell, wie katastrophal und verheerend solche Ereignisse sind.
Wir erreichen den Highway 60, der uns nach New Mexico bringen soll – hinter Springerville, das sich als Gate to the White Mountains bezeichnet, wieder geht es hinauf bis auf 2500m – aber diesmal geht es nicht wieder gleich runter. Eine riesige, öde Hochebene tut sich vor uns auf, dann versinkt die Sonne hinter den Bergen. Wir haben noch 3 Stunden Fahrt bis nach Socorro vor uns, 3 Stunden geradeaus durch die dunkle Nacht – es gibt keine Häuser mehr da draussen, kaum Verkehr auf diesem Highway, kein Licht, einfach nichts. Während eines Pinkelstopps bleiben wir ganz ruhig stehen und lauschen angestrengt in die Dunkelheit – außer dem Rauschen des Blutes in den eigenen Ohren gibt es keine Geräusche und außer der funkelnden Milchstrasse über unseren Köpfen auch kein Licht. Gespenstische Einsamkeit. Umso erleichterter sind wir jedesmal, wenn wir einen dieser winzigen Orte mit einer Tankstelle und einer Bar passieren – zumindest alle 50 Meilen gibt es doch noch Menschen. In Socorro angekommen fallen wir ins Bett und starren ins Fernsehen: Die Kaltfront hat sich mit Schneefällen über Colorado und Nord-New Mexico festgesetzt – Denver hat schon 40cm Schnee, war der ganze Umweg umsonst?
Es ist Freitag 9:51 am, wir sitzen im Hotelzimmer und warten darauf, dass der Reifen für unsere Weiterfahrt geliefert wird. Im Fernsehen läuft der Weatherchannel auf Kanal 7, das nationale Wetterfernsehen ist für uns das wichtigste Medium neben dem Internet während unseres Trips geworden. Von Nordwesten zieht eine Kaltfront mit Schnee herein, das Wetter will auf unserem Trip Richtung Colorado Springs mal wieder nicht mitspielen, denn für unsere geplante nördliche Route zurück, die Abstecher zu solch reizvollen Zielen wie das Valley of Fire und den Arches Nationalpark ermöglichen würde, sind Temperaturen um den Gefrierpunkt und von Grand Junction bis nach Denver (die Rockies) Schneefälle vorrausgesagt. Die südliche Route sind wir nun schon zweimal gefahren und nochmal müssen und wollen wir uns das nicht wirklich geben. Vermutlich werden wir die südliche Route einfach noch weiter südlich ausdehen um wenigstens noch etwas neues und mehr von Arizona zu sehen…. hoffentlich spielt das Wetter dann Ende November wieder mit, wenn wir in Las Vegas sind – von dort sind zumindest das Valley of Fire und das Death Valley noch drin.
Auch der Mittwoch zeigt keine Besserung, das Thermometer bleibt bei 31°F (~0°Celsius) und es sind weitere Schneefälle mit Sturm angekündigt. Richard lässt sich davon nicht beirren und legt die heutige Route fest: Über das Monument Valley nach Cortez und Durango, dann nicht nach Norden wegen zuviel Schnee sondern östlich über den Wolf Creek Pass nach Alamosa und die folgende durch die Hochebene nach Walsenburg – immerhin 573 Meilen (922 Kilometer), an einem Tag über endlose einsame Highways und quer durch die Rocky Mountains bei viel erwartetem Schnee.
Der nördöstliche Teil von Arizona besteht fast ausschließlich aus Indianer Reservaten, die verstreut in den weiten Ebenen liegen – auch das Monument Valley liegt inmitten eines Reservat der Navajo. Den Abstecher in das Monument Valley haben wir uns erspart – die Wolken hingen so tief, dass man keine zwei Meilen weit sehen konnte. Auch hierhin werden wir zurückkehren müssen, denn das Schauspiel eines Sonnenuntergangs im Monument Valley Nationalpark möchte ich mir auf jeden Fall einmal geben. Auch an Four Corners, der Stelle, an dem die Bundesstaaten Arizona, Colorado, New Mexico und Utah unmittelbar aufeinanderstossen war das Wetter nicht angemessen, um einen direkten Besuch abzustatten. Stattdessen ging es immer weiter auf Highway 160 und jetzt merkt man richtig die Entfernungen – es ist wirklich krass wenn man Meilen um Meilen fährt ohne auch nur ein einziges Auto oder Haus zu sehen. Langsam nähern wir uns den Rockys, es ist zwar nicht mehr so neblig, dafür liegt immer Schnee – dessen Weiß in Kombination mit den roten Steinformationen wunderschön anzusehen ist. Wenn nur die Eiseskälte nicht wäre. Ab Durango geht es nur noch bergauf, immer winterlicher wird die reizvolle Szenerie aus Felsen, Nadelbäumen und Schnee.
Am Wolf Creek Pass gipfelt das ganze in einen echten Wintersturm – zum Glück haben wir volles Vertrauen in Richard und seinen Truck, den er schon vor Meilen in den Allrad-Betrieb geschaltet hat. Man sieht kaum noch die Streckenführung und bis auf einen liegengebliebenen LKW mit Polizei-Unterstützung scheinen wir die einzigen Verrückten zu sein, die bei dieser Witterung über den Pass fahren. Umso erstaunter sind wir, dass oben auf dem Hochplateau von Alamosa überhaupt kein Schnee mehr liegt. Es ist schon dunkel als wir am östlichen Rand der Hochebene die nächste winterliche Hürde zu überwinden haben: den La Veta Pass, der uns wieder mit heftigen Schneefällen und spiegelglatter Fahrbahn begrüsst. Richard kennt die Strecke sehr gut und so ist die Passage auch hier kein Problem. Wir sind wieder auf der Interstate 25 in nördlicher Richtung unterwegs und obwohl in Denver bereits bis zu 2ft (~60cm) Schnee liegen sollen, ist der Freeway ab Pueblo bis Colorado Springs frei von Eis und Schnee – zum Glück, denn wir sind schon 13 Stunden unterwegs und Richard hält sich schon eine Weile mit Knabberkram wach… kaum in Colorado Springs angekommen, beginnt es auch hier zu schneien und zwar nicht zu knapp – ein Glück sind wir an unserem Ziel und nach knapp 3000 Kilometern durch die USA brauchen wir erstmal nur noch eins: Schlaf.
Die nächsten Tage in Colorado Springs werden wir uns ein bischen erholen, etwas arbeiten und dann den geschäftlichen Dingen nachgehen, wegen denen wir in den USA sind.
Es kam wie es kommen musste… das Tiefdruckgebiet, dass sich gestern noch weit nordwestlich über Washington State befand wurde durch eine Änderung im Jetstream rapide über den Kontinent getrieben und der Weatherchannel warnte “prepare for midwinter driving”. Wir merkten schon beim Frühstück in Tempe, dass es kühler werden würde, anstatt knappe 30°C waren es nun nur noch 20°C und dieser Trend sollte nun bis Donnerstag Nacht weitergehen. In Denver hatte es schon geschneit, schlechte Voraussetzungen also für unseren für morgen geplanten Trip über die Rockys. Trotzdem machten wir uns auf den Weg nach Norden und liessen Phoenix und das Valley of the Sun hinter, die Strecke bis nach Flagstaff kannten wir ja bereits von der Hinfahrt…
Ab Flagstaff fuhren wir ein gutes Stück auf der Route 66, die beliebte Touristenstrecke ist gesäumt von historisch oder 50er-Kitsch angehauchten Tankstellen, Trading Posts und Diners – man kann sich gut vorstellen, dass die gesamte Strecke der Route 66 wie eine Zeitreise anmuten muss. Unser Ziel heute war aber der Grand Canyon und so drehten wir hinter Flagstaff wieder auf Nord – mit jeder Meile wurde es draussen windiger, grauer und kälter, der Sturm aus Nordwest war also schon bis hierher gekommen.
Und just in dem Moment als wir das Gate zum Grand Canyon Nationalpark passierten, begann es in der Tat zu schneien. Kein Glück mit dem Wetter, im Gegenteil, der kalte Wind am South Rim des Canyons machte ein längeres Verweilen und Bestaunen des Naturwunders unmöglich – wir wären wohl einfach eingefroren. Wir zogen uns also immer wieder in den Truck zum Aufwärmen zurück und das Warten lohnte sich denn auch, denn in den kurzen Momenten, in denen sich im bedeckten Himmel Lücken zeigten, sorgten einige Sonnenstrahlen im Canyon für atemberaubende Lichtspiele. Die beste Reisezeit für den Grand Canyon ist dann wohl eher Mai bis September, ein Grund mehr wieder zu kommen – dann werden wir ganz sicher auch zum Colorado River hinabsteigen, der schlängelt sich in tiefem Grün weit unten im Canyon durch die schroffen Klippen. Der einzige, der diesem eisigen Sturm-Erlebnis etwas abgewinnen konnte war übrigens Richard, aber er war auch schon zum dritten Mal am Grand Canyon und freute sich, dass er mal eine andere Witterung erleben durfte *lol*
Wir beschlossen für heute aber die Nacht in Page, Arizona zu verbringen, um am nächsten Tag von dort die Wetterlage zu checken und dann unsere Route nach Colorado Springs festzulegen. Bei Anbruch der Dämmerung verliessen wir den Grand Canyon und fuhren noch drei Stunden durch absolute Dunkelheit in unser Nachtquartier.